Bereits zum 47. Mal fand am 18. Mai 2019 der Rennsteiglauf im Thüringer Wald statt. Vor drei Jahren bin ich hier meinen ersten Marathon gelaufen – in diesem Jahr lief ich aus der anderen Richtung in das „schönste Ziel der Welt“ in Schmiedefeld ein.
Statt „Super“ nur „Halb“ – den dafür ganz
„Diesen Weg auf den Höhen bin ich oft gegangen
Vöglein sangen Lieder.
Bin ich weit in der Welt, habe ich verlangen,
Thüringer Wald nur nach Dir.“
Genau das dachte ich mir im vergangenen Herbst, als ich mich voller Vorfreude und Elan für den Rennsteiglauf Supermarathon anmeldete. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt: So musste ich verletzungsbedingt und sehr schweren Herzens mein Saisonziel verwerfen und auf das „Trostpflaster“ Halbmarathon ummelden. Anfangs ging meine Motivation gegen Null. Doch die Freude darüber, nach der Verletzungspause überhaupt wieder laufen zu können, und der Gruppenspirit meiner Rennsteig-Crew ließ dann doch Enthusiasmus aufkeimen – und das Rennsteiglauf-Wochenende wurde wieder zu einem ganz besonderen Erlebnis!
Thüringer-Klöße-Loading statt Pasta-Party
Am Vortag reisten wir zu siebt mit zwei Autos nach Schmiedefeld an, um uns dort logistisch höchst ausgeklügelten Plänen entsprechend auf ein Auto nach Oberhof (Halbmarathonis) und den Shuttlebus nach Neuhaus (Marathonis) aufzuteilen und ein Auto im Zielort stehen zu lassen.
In Oberhof angekommen, holten wir unsere Startunterlagen ab und folgten schließlich der Partymusik in die Festhalle. Kloßparty! Wir reihten uns zwischen auf Bänken tanzenden Halbmarathonis-to-be in eine lange Schlange ein. Das Warten lohnte sich: Auch wenn ich sonst im Leben nicht auf die Idee käme, am Abend vor einem Laufwettkampf Rouladen, Rotkraut und Thüringer Klöße mit Sauce zu essen, schmeckte das „Läufermenü“ erstaunlich gut (und lag später im Bett auch nur ein bisschen im Magen).
Der frühe Vogel… läuft auf dem Rennsteig
Samstag, 5 Uhr: Aufstehen! Nach einem Honigbrötchen und einer Tasse Tee schlossen wir uns der Völkerwanderung zum Start des Halbmarathons an. Für die gelben Gepäckbeutel standen entlang der Startermeile unzählige Transporter der Deutschen Post bereit. Auch ansonsten war alles top organisiert und die Stimmung trotz früher Stunde fast schon wieder auf Kloßparty-Level.
Die Sonne gab schon jetzt ihr bestes und überzeugte uns, in Kurz-Kurz zu starten. So standen wir leicht fröstelnd, aber voll motiviert um kurz vor halb 8 unter insgesamt 6766 LäuferInnen am Start – und sangen natürlich noch einmal das Rennsteiglied mit, bevor es auf die Strecke ging.
Rennsteiglauf Halbmarathon im Flow
Die Strecke des Halbmarathons führt von dem Wintersportzentrum Oberhof auf dem Rennsteig-Wanderweg nach Schmiedefeld. Der Asphaltanteil geht fast gegen Null, stattdessen geht es auf hügeligen Waldwegen hinauf und hinab (genauer: auf der ersten Hälfte eher hinauf und auf der zweiten Hälfte eher hinab). Zwischendurch tragen drei liebevoll betreute Verpflegungsstellen, lokale Musikgruppen und vereinzelte Zuschauer-Hotspots zum allgemeinen Läuferwohl bei.
Die erste Hälfte des Halbmarathons ging ich eher defensiv an. Wenn eine unbekannte Strecke und Höhenmeter im Spiel sind, habe ich in Wettkämpfen immer lieber einen Energiepuffer parat. Lieber resümiere ich nach dem Rennen, dass ich unter meinen Möglichkeiten geblieben bin, als während des Rennens festzustellen, darüber hinausgeschossen zu sein.
Außerdem verlangte der Untergrund mehr Konzentration als erwartet: Steine, Wurzeln, Schlaglöcher – da war es auf der Marathonstrecke ebener zugegangen. Zumal ich vor allem auf den ersten Kilometern des Halbmarathons immer wieder auf langsamere LäuferInnen aus den vorderen Startblöcken auflief, was mich zu häufigen Tempowechseln zwischen Vollbremsung und Vollgas zwang und auf sehr unwegsame „Überholspuren“ lenkte.
Nichtsdestotrotz – bzw. gerade deswegen – genoss ich den ersten Teil des Rennsteiglauf Halbmarathons sehr. Durch die vielen kleinen Terrain- und Überhol-Challenges war er sehr kurzweilig. Ich hörte nur auf mein Körpergefühl und schaute erst bei Kilometerschild 10 zum ersten Mal auf die Uhr. Check: Sub 1:40 h war noch drin.
Nachdem ich die erste Hälfte und damit die meisten positiven Höhenmeter des Halbmarathons gesund und munter gemeistert hatte, traute ich mich auf der zweiten Hälfte, etwas mehr Gas zu geben.
Trotzdem ließ ich die Handbremse vorerst ein bisschen angezogen, denn nun wartete auf mich persönlich die eigentliche Challenge: über 300 hm bergab – würde meine Hüfte das nach der Schleimbeutelentzündung mitmachen? Im Training hatte ich nach einigen Negativerfahrungen jegliche Höhenmeter bergab außen vor gelassen. Und auch heute lautete die Devise: Lieber eine langsame Zeit oder ein DNF, als unter Schmerzen ins Ziel zu laufen.
Doch es rollte gut, keine Schmerzen in Sicht. Als nach etwa 17 km der allerletzte Anstieg geschafft war und nur noch 4 km bis zum Ziel vor mir lagen, war ich endlich davon überzeugt, den Rennsteiglauf wohlbehalten finishen zu können.
Die letzten Kilometer lief ich mit meinem Laufpartner in Crime, mit dem ich stillschweigend bereits auf der ersten Hälfte so manches Überholmanöver gemeinsam gemeistert hatte. Bergab war sogar trotz glatter 4:00er-Pace genug Atem für einen kleinen Plausch drin – immer wieder erhellend, diese spontanen Laufbekanntschaften!
Und motivierend: Bei km 20 rief er mir zu, dass er in dem Männerpulk vor uns eine Läuferin entdeckt habe – die würden wir uns noch holen! Und schon war er vorgeschossen, ich hinterher. Jetzt freute ich mich wie ein Schnitzel über meinen Energiepuffer aus der ersten Hälfte und entwickelte tatsächlich einen für mich untypischen kompetitiven Ehrgeiz (normalerweise reicht mir in Wettkämpfen ja schon der Kampf mit mir selbst). Noch 1,4 km flach bis ins Ziel. Die Läuferin hatte ich bald überholt, doch hieß es jetzt, die 3:50er-Pace bis zur Ziellinie zu halten. 1,4 km sind laaang, doch die Thüringer Klöße vom Vorabend machten den Zielsprint möglich (so meine kausale Hypothese).
Letztlich also doch ein bisschen leidend, aber schnell wieder freudestrahlend, erreichte ich nach 1:37:26 h als 11. Frau das Ziel. Wer will schon in die Top 10? Den 11. Platz hatte ich auch schon 2016 beim Marathon gemacht, mit der Tradition kann ich gut leben! Das Überholmanöver hätte ich mir übrigens aus Platzierungssicht schenken können: Die Dame war in einem vorderen Startblock 3 Minuten vor mir gestartet, lag netto als sowieso hinter mir… aber Spaß gemacht hat es trotzdem!
Das „schönste Ziel der Welt“ in Schmiedefeld am Rennsteig
Im Zielbereich traf ich zufällig einen alten Bekannten aus München und gemeinsam brutzelten wir plaudernd in der Sonne, bis die restliche Halbmarathon-Crew ins Ziel gelaufen kam.
Nachdem wir anschließend die Dusch-Schlange abgecheckt, für zu lang befunden und Wechselshirt und Deo für ausreichend erklärt hatten, vertrieben wir uns den restlichen Vormittag auf dem „Festivalgelände“. Essens- und Getränkestände, Glücksräder, Picknickdecken und unzählige Menschen, soweit das Auge reichte. Für Spannung und Unterhaltung sorgten außerdem die Zieleinläufe der Marathon- und Supermarathon-LäuferInnen ab der Mittagszeit.
Beinahe hätten wir nicht mitbekommen, dass ich den 3. Platz der Hauptklasse gewonnen hatte. Gerade rechtzeitig erreichten wir die Bühne für die Siegerehrung und ich nahm glücklich über den gelungenen, schmerzfreien Lauf meine Urkunde und Medaille in Empfang.
Rennsteiglauf-Finisherparty: Run hard, party harder
Long story short: Rhythm is a dancer, Mr. Vain, Rennsteiglied, I want it that way, What is love, Can’t touch this, Rennsteiglied, Sing Hallelujah!, Blue (Da Ba Dee), Cotton Eye Joe, Rennsteiglied, Coco Jamboo, Ice Ice Baby, Rennsteiglied, … (kein Anspruch auf Vollständigkeit)
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Training
Meine Empfehlung: Baut unbedingt hügeliges Gelände in euer Training ein! Genau: keine Berge, sondern Hügel. Einerseits bereitet das eure Muskeln auf die wettkampfspezifische Belastung vor, andererseits entwickelt ihr so ein gutes Körpergefühl dafür, welche Belastungslevel bergauf und bergab „nachhaltig“ ist. Denn keinem ist geholfen, wenn ihr im An- oder Abstieg ALLES gebt – und dafür im Flachen oder auf den letzten Kilometern die Puste ausgeht. Ein bisschen Trailrunning als Vorbereitung auf den wechselhaften Untergrund schadet auch nicht.
Logistik
Die Logistik ist aufgrund verschiedener Startorte für Halbmarathon, Marathon und Supermarathon, einem weiteren Ort fürs Ziel, diversen Straßensperrungen sowie restlos ausgebuchter Unterkünfte in der ganzen Region nicht nebensächlich und sollte frühzeitig geplant werden. Ideal ist natürlich ein nicht-laufender Support, der ohne zu Murren Fahrdienste übernimmt, ggf. auch zu sehr früher Stunde. Wem dies nicht vergönnt ist, der findet alle wichtigen Informationen auf der Rennsteiglauf-Website – und sollte sich für dieses Studium spätestens drei Monate vor dem Start ein paar ruhige Minuten (aka Stunden) freihalten. Oder sich auf Last-Minute-Glücksfälle verlassen.
Rahmenprogramm
Um den besonderen Charme des Rennsteiglaufs zu erleben, sollte man sich unbedingt auf die Atmosphäre und das Rahmenprogramm einlassen: Kloßparty am Vorabend, Tanz- und Musikgruppen an der Strecke, magischer „Schleim“ an den Verpflegungsstellen, Thüringer Bratwurst und Schwarzbier im Ziel, Chillout auf dem „Festivalgelände“, Finisherparty mit 90er-Jahre-Mucke – und natürlich immer wieder das Rennsteiglied-bis-es-jeder-auswendig-kann. Das macht Spaß, da kommt Freude auf – egal, ob beim Rennsteiglauf eine neue Bestzeit fallen, der erste Marathon gefinished oder einfach nur der Thüringer Wald genossen werden soll.
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