Die Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens aufgrund der COVID-19-Pandemie würfeln unsere Routinen und Pläne derzeit ordentlich durcheinander. Doch zum Glück können wir Läufer weiterhin unserem liebsten Hobby nachgehen und im Laufen Freude, Abwechslung und Zerstreuung finden – auch ohne zeitnahes Wettkampfziel vor Augen.
Disclaimer: Mir ist bewusst, dass die Welt derzeit vor schwierigen gesundheitlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen steht. Der physische und psychische Umgang mit abgesagten oder verschobenen Laufveranstaltungen fällt definitiv in die Kategorie „Luxusprobleme“. Frei nach Oscar Wilde („Man versehe mich mit Luxus, auf alles Notwendige kann ich verzichten.“) werde ich mich in diesem Artikel dennoch ausschließlich damit beschäftigen und danach in einem Meer aus dreilagigem Klopapier baden.
Lauftraining: Findet statt.
Laufveranstaltungen werden derzeit reihenweise abgesagt, in den Herbst oder sogar in das nächste Jahr verschoben. Großveranstaltungen sind bis mindestens 31. August 2020 untersagt – darüber hinaus reichende Verbote und Einschränkungen sind gut möglich. Für viele Läufer, die sich in den letzten Monaten auf eine neue 10km-Bestzeit, einen Frühjahrsmarathon oder ein Ultratrail-Highlight im Sommer vorbereitet haben, fällt damit ihr Saisonziel flach.
Aber hey: Das ist kein Grund, die Motivation und Freude am Laufen zu verlieren! Wir können uns in Deutschland sehr glücklich schätzen, weiterhin für sportliche Aktivitäten rausgehen zu dürfen. Da wir als Läufer nicht zwingend auf Sportstätten und Mannschaften angewiesen sind, können wir unser liebstes Hobby weiterhin ausführen – am besten allein und auf wenig frequentierten Wegen.
Anders als in Verletzungsphasen müssen wir nicht einmal der gecancelten Wettkampfteilnahme hinterhertrauern und uns fragen, was gewesen wäre, wenn wir in der Vorbereitung dieses und jenes anders (besser) gemacht hätten. Der Wettkampf findet nicht ohne uns statt – unser Laufen findet einfach nur ohne Wettkampf statt.
Alternative Ziele für Motivation & Struktur im Lauftraining
Trotz der vergleichsweise annehmbaren Ausgangssituation für uns Läufer ist dir mangels konkreter Wettkampfziele die Motivation oder Struktur im Lauftraining abhanden gekommen? Kein Grund, das Training an den Nagel zu hängen! Es gibt eine Reihe sehr sinnvoller, alternativer Ziele, die dich läuferisch über kurz oder lang voranbringen und Motivationstiefs vom Tisch fegen.
Für deine Zielauswahl gibt es zwei verschiedene Ansatzpunkte: Entweder siehst du die aktuelle Phase als „wettkampffreie“ Zeit an, die für viele Läufer normalerweise in die Herbst- oder Wintermonaten fällt. Nur mit gutem Wetter und mehr Tageslicht. Oder du suchst dir „wettkampfähnliche“ Aktivitäten aus, auf die du ganz gezielt hin trainierst.
1) Training in einer „wettkampffreien“ Zeit
Für diesen Ansatzpunkt kann ich einige der Tipps recyclen, die ich bereits in meinem Artikel über „Lauftraining im Winter“ gegeben habe.
Dadurch, dass du derzeit keine wettkampfspezifischen Trainingseinheiten wie Intervalle im angestrebten Wettkampftempo oder lange Läufe mit Endbeschleunigung absolvieren musst, hast du ausreichend Zeit, Energie und Gestaltungsspielraum, um
- bewusst an deinen Schwächen (z.B. Lauftechnik, VO2max, Kraftausdauer) zu arbeiten
- neue Trainingseinheiten (z.B. Tempowechselläufe, Hügelsprints, Tabata-Intervalle) auszuprobieren
- neue Laufroutinen (z.B. frühe Morgenläufe vor der Arbeit, Streakrunning) auszutesten
- abwechslungsreiches Alternativtraining (z.B. Radfahren, Inline-Skating) zu betreiben
- in deinem eigenen Home Gym mit Kraft- und Stabilitätstraining deinen Körper zu stärken und Verletzungen vorzubeugen
- deine steifen Läufermuskeln mit Yogaeinheiten geschmeidig zu machen
Inspiration für Trainingseinheiten findest du in der digitalen Welt zur Genüge – sei es in Magazin- oder Blogartikeln, YouTube-Videos oder in den zahlreichen Livestreams, die derzeit täglich angeboten werden. Hier ein paar meiner persönlichen Favoriten:
- Ideen für’s Tempotraining, z.B. Tempowechsellauf, von bevegt
- Verschiedene Laufsessions mit Ingalena Heuck, vom Fahrtspiel über Bergläufe bis zu Tabata-Intervallen
- 8-Wochen-Trainingspläne von Michael Arend, die dir dabei helfen, an deinen Schwächen zu arbeiten (kostenpflichtig)
- Inspiration für’s Lauf-ABC von Laura Hottenrott, Celia Kuch (#1 bis #12) und der Triathlon Crew Cologne
- Live-Bodyweight-Training mit Michael Strasser auf Instagram (Montag und Donnerstag um 20:00 Uhr)
- Stabilitätstraining zum Mitmachen mit Ingalena Heuck
- Core-Workout mit Laura Philipp
- Yogavideos mit Mady Morrison (auf ihrer Website bietet sie zudem verschiedene Yoga-Wochenpläne an)
2) Training für „wettkampfähnliche“ Aktivitäten
Du hast auch ohne die Aussicht auf einen klassischen Wettkampf Freude daran, einen Trainingsplan für eine spezifische Distanz durchziehen? Go for it! Spezifische Trainingsblöcke, z.B. für einen schnellen 5km-Lauf oder den Finish eines Halbmarathons, dienen nicht nur der einmaligen Wettkampfperformance, sondern tragen auch zur langfristigen Leistungsentwicklung bei. Es spricht also nichts dagegen, dass du deinen bisherigen Trainingsplan bis zum eigentlichen Wettkampftermin fortsetzt oder dich in den nächsten 8-12 Wochen auf das spezifische Training für eine Distanz konzentrierst, auf der du dich schon immer mal verbessern wolltest.
Wer am Tag X seine Form testen möchte, hat mehrere Möglichkeiten.
- Du trägst einen Solo-Wettkampf auf deiner Hausrunde oder einem passenden Rundkurs aus, wenn möglich mit dem Support (Verpflegung, Radbegleitung, Jubel) deiner in häuslicher Gemeinschaft lebenden Mitbewohner.
- Du nimmst an einem „Virtual Run“ teil, also an einem Wettkampf, den jeder Teilnehmer für sich, auf einer individuellen Strecke, in einem bestimmten Zeitraum absolviert. Dabei kann es sich zum Beispiel um den Wings for Life App Run, den RENNSTEIGLÄUFERatHOME oder die Skyrunner Virtual Series handeln. In den nächsten Wochen werden sicher noch mehr lokale und globale Events dieser Art aufkommen.
- Du nimmst an einer „Dann halt alleine“-Challenge teil und misst dich mit anderen Läufern aus deinem Bundesland, deiner Altersklasse und ähnlichen Kategorien.
- Du gibst dein Bestes, eine „Fastest Known Time“ (FKT) zu laufen – sei es auf einer bereits eingetragenen Strecke oder auf einer neu von dir erstellten Route. Wem die offizielle FKT-Szene zu fern erscheint, der kann natürlich auch eigene, lokale FKT-Challenges im Freundeskreis austragen. Einer setzt die Messlatte, die anderen versuchen, sie zu knacken – natürlich jeweils alleine!
Ob es ohne Straßensperren, Verpflegungsstellen und adrenalinsteigernde Wettkampfatmosphäre zu neuen Bestzeiten reicht, wird sich zeigen. Doch was vor allem zählt: Du ziehst motiviert deinen Trainingsplan durch, gibst am Tag X dein Bestes, hast Spaß dabei und gönnst dir danach eine Belohnung und Regenerationsphase.
Ich hoffe, du kannst aus diesem Artikel Inspiration und Motivation für dein persönliches Lauftraining in Zeiten der COVID-19-Pandemie ziehen. Ich freue mich über deine Erfahrungen und weitere Ideen in den Kommentaren!
An oberster Stelle steht selbstverständlich immer deine Gesundheit, Rücksicht auf deine Mitmenschen und die Einhaltung der behördlichen Anordnungen. Sind diese Grundvoraussetzungen erfüllt, steht deinem Training nichts im Wege. Keep on running!