Hummeln, ab in die Finger!

Dass ich meinen ersten Läuferblog-Eintrag ausgerechnet in einer Zeit schreibe, in der ich nicht laufen kann, hatte ich nicht gedacht. Aber das Leben ist eben kein Ponyhof…

Geplant war so etwas wie…

„Wow, gerade einen tollen Schwellenlauf absolviert und trotz enormen Gegenwindes die Pace konstant über 8 km unter 4:15 gehalten. Kaum müde, morgen früh um 6 Uhr geht’s weiter mit einem aktiven Regenerationslauf.“

(Okay, okay. Erstens nicht mein Schreibstil und zweitens ein bisschen dick aufgetragen. Bei enormem Gegenwind schaffe ich KEINE 4:15er Pace über 8 km. Und müde bin ich danach allemal. Und um 6 Uhr regeneriere ich höchstens passiv in meinem Bett.)

Klingt aber zumindest besser als…

„Wow, heute zum ersten Mal wieder wie ein normaler Mensch die Treppe zur U-Bahn runtergegangen. Kaum Schmerzen gehabt. Morgen geht’s testweise im Fitnessstudio auf den Crosstrainer, aber maximal 15 Minuten, um nichts zu riskieren.“

Leider schaut es momentan genau so aus.

Immerhin kann ich TATSÄCHLICH schon wieder wie ein normaler Mensch Treppen runtergehen. Und zu einer kompletten Sportpause war ich nur ein paar Tage gezwungen. Danach bin ich von einer Yogastunde zur nächsten gehumpelt, habe mich am TRX auf und ab gestemmt, die tratschenden Omas im Schwimmbad aufgescheucht, und bin sogar auf den Fahrradergometer im Fitnessstudio gestiegen, um meinen Puls mal wieder in den GA2-Bereich zu treiben (was, ganz nebenbei, auf dem Fahrradergometer gar nicht so leicht ist, obwohl es sich unglaublich anstrengend anfühlt und man schwitzt wie in der Sauna).

Doch mein ernüchterndes Fazit:

Nichts davon kommt ans Laufen ran. Zwar hat es mir geholfen, meine Hummeln im Hintern kurzzeitig abzulenken, aber die Freude und das Freiheitsgefühl beim Laufen und die wohlige Erschöpfung danach haben sich nicht eingestellt. Es gibt zwar tolle Ausgleichs- und Ergänzungssportarten zum Laufen, auf die ich nicht verzichten möchte – aber noch weniger möchte ich auf das Laufen verzichten.

Bei diesen Worten könnte der ein oder andere besorgte Leser sich jetzt fragen: Wie lange kann die Arme denn jetzt schon nicht laufen? Und wie lange muss sie es noch überstehen? Was hat sie eigentlich für schlimme Verletzungen? Wie kam es dazu?

Die Antwort ist schlicht und nur für Läufer verständlich, die sich gerade im Moment genau in der gleichen Situation befinden. Alle anderen werden den Kopf schütteln und den Blog wegklicken. (Eine ernüchternde Einsicht, denn damit schrumpft meine Leser-Zielgruppe auf ein minimalistisches Niveau.)

Heute ist der 9. Tag in Folge, an dem ich nicht laufen konnte.

Und vermutlich muss ich es noch mindestens zwei weitere Tage aushalten (vernünftigerweise wären es mindestens vier, aber die Hummeln im Hintern sind nicht vernünftig und treiben mich in den Wahnsinn). Grund dafür sind mein rechtes Sprunggelenk und mein linkes Knie, die in den vergangenen Tagen bei jedem Schritt höllisch (Tag 1-4) bis deutlich spürbar (Tag 5-9) wehtaten.

Selbstverschuldet, wohlgemerkt.

Wo wir wieder bei der Vernunft wären…

…die in der Theorie durchaus überzeugende Argumente hat, in der Praxis aber selten gegen ihre Antagonisten Übermut, Gruppendynamik und Hummeln ankommt. Und so verlor sie auch vor zehn Tagen, als ich mit den Laufschrittmachern 60 km von Bad Tölz nach München lief, obwohl ich mir vorher WIRKLICH fest vorgenommen hatte, maximal 40 km bis Schäftlarn mitzulaufen.

Die Nicht-Läufer klicken jetzt weg, weil sie denken „Was für eine Laufsüchtige! Dreht am Rad, weil sie mal ein paar Tage nicht durch die Gegend joggen kann, und dass, nachdem sie eine übertrieben lange Strecke gelaufen ist, nach der sich jeder normale Mensch über eine Pause FREUEN würde.“.

Die unverletzten Läufer klicken jetzt weg, weil sie denken „Wie naiv von ihr! Weiß doch jeder, dass es bei einem 60-km-Lauf zu Überlastungserscheinungen an Bändern, Sehnen und Gelenken kommt, wenn man nicht speziell darauf trainiert hat. Bei so viel Unwissenheit ist sie mit elf Tagen Laufpause noch viel zu gut weggekommen.“

Die richtig verletzten oder kranken Läufer mit Muskelfaserrissen, Ermüdungsbrüchen oder Pfeifferschem Drüsenfieber klicken jetzt weg, weil sie denken „Dieser Jammerlappen! Elf Tage Laufpause und die Möglichkeit, Alternativsportarten zu machen – da kann sie sich nun wirklich nicht beschweren! Die sollte mal so etwas wie ich bekommen, dann dürfte sie jammern!“

Somit bleiben nur noch die Läufer, die, wie ich, im Moment für eine relativ kurze Zeit nicht laufen dürfen.
Für die sich 9 Tage wie 9 Wochen – Monate! – anfühlen.
Die förmlich spüren, wie die anaerobe Schwelle Tag für Tag um 5 Sek./km sinkt.
Deren Körper völlig verwirrt sind, weil sie nach wie vor überdimensional große Essensportionen zugeführt bekommen (Hunger und Appetit sind ja noch da!), ohne die daraus gewonnene Energie am nächsten Tag in Laufkilometer umsetzen zu dürfen.
Die Phantommuskelkater in Oberschenkeln und Waden haben.
Die sich auf dem Weg zum Supermarkt von den unzähligen, umherlaufenden Joggern in eine kafkaeske Situation versetzt fühlen.

Die fühlen sich jetzt vielleicht verstanden und lesen weiter. Oder sie klicken weg, weil sie denken „Ich muss sofort zum Yoga/Krafttraining/Schwimmen/Radfahren.“ Oder auch „Ich sollte meine neugewonnene Zeit sinnvoll nutzen und endlich anfangen, einen Blog zu schreiben.“ Quasi die Hummeln aus dem Hintern in die Finger umlenken. Endlich etwas tun, was man schon lange vorhatte, aber irgendwie nicht die Zeit und Muße dazu gefunden hat.

Letzteren Gedanken hatte ich nämlich auch. Und so kommt es, dass ich meinen ersten Läuferblog-Eintrag in einer Zeit schreibe, in der ich nicht laufen kann.


NACHTRAG:

Aus den „mindestens zwei weitere Tage nicht laufen können“ wurden „vier weitere Wochen nicht laufen können“. Aber ich habe den kalten Entzug überlebt – und mich dann gleich ins Marathontraining gestürzt! Alles machbar, die Frisur das Knie hält! 😉

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