Gestern war es soweit: Mein erster Marathon! 42,2 km, rund 760 hm, am schönen Rennsteig im Thüringer Wald. Ob sich die unzähligen Trainingskilometer, Höhenmeter, Zipperlein und Durchhänger gelohnt haben…? Und wie!
06:00 Uhr: Der erste von drei gestellten Weckern klingelt. Ich bin sofort hellwach, springe aus dem Bett. Es ist soweit!Ic h fühle mich ausgeschlafen und erstaunlich entspannt. Auch mein Magen fühlt sich gut an – das erleichtert mich, denn gestern Abend hat es aus Mangel an Alternativen eine super fettige Pizza auf (schlechtem) Lieferservice-Niveau gegeben, schlechtes Gewissen inklusive. Das Marmeladenbrötchen und das halbe Käsebrötchen schmecken, sind verträglich, machen satt – Frühstück: Check!
08:50 Uhr: Ich stehe versehentlich in den ersten drei Reihen der Startaufstellung. Kann ja keiner mit meiner bescheidenen Körpergröße beim Vordrängeln ahnen, dass die Läufer nicht bis vorne zum Starttor stehen… Ein bisschen fühle ich mich wie im falschen Film: Es wird geschunkelt. Es wird gesungen. Es wird gelacht. Auch ich krächze lauthals erst das Rennsteiglied, dann den Schneewalzer mit, eingehakt zwischen zwei durchtrainierten Marathonläufern, die sicher ein Stündchen früher ankommen wollen als ich. Auch sie singen und schunkeln, schauen aber vergleichsweise ernst drein, rücken zwischendurch ihre Gel-Gürtel zurecht, schütteln die sehnigen Beine aus. Falscher Film? Nein, eigentlich genau der richtige Film! „…bin ich weit in der Welt habe ich Verlangen, Thüringer Wald nur nach diiiiir!“
09:15 Uhr: Nach einem sehr entspannten Start (das Starttempo beim Marathon ist eben selbst in den ersten Reihen ein anderes als bei einem 10-km-Wettkampf) und dem (dank Start-Adrenalin relativ mühelosen) Erzwingen des ersten kurzen, steilen Anstiegs, bin ich inzwischen in einem angenehmen Lauf-Rhythmus angekommen. Und wie es läuft! Ich laufe eine leichte, langgezogene Steigung entlang, bremse mich auf eine 4:45er-Pace ab, um nicht versehentlich zu Beginn zu viel rauszuhauen, und bin voller Vorfreude auf die noch kommenden 39 km.
09:55 Uhr: Seit km 5 sind wir nun richtig auf dem Rennsteig unterwegs. Ich genieße die schöne Landschaft und schwebe (gefühlt) über den mal weichen, mal steinigen, mal wurzeligen Waldboden. Inzwischen habe ich schon zwei Verpflegungsstellen hinter mir – die große Unbekannte, vor der ich ein bisschen Bammel hatte, da noch nie in meinem Leben genutzt. Doch das Trinken klappt super und obwohl ich dafür kurz stehenbleibe oder ganz langsam gehe, verliere ich kaum Zeit, weil ich danach umso motivierter weiterspringe. Meinen mitgebrachten Riegel esse ich peu-a-peu auf Bergab-Passagen, dazu gelegentlich ein Stück Banane von den Verpflegungsstellen. An den sagenumwobenen „Schleim“ traue ich mich nicht ran – zu groß ist die Angst, dass ich ihn nicht vertragen könnte und er mir einen Strich durch die bisher sehr gut aufgehende Rechnung macht.
Ich bemerke, wie ich zwischendurch immer mal wieder in ein zufrieden-dämliches Grinsen verfalle. Davon hatte ich zuvor schon von anderen gehört und es als ziemlich merkwürdig abgetan. Jetzt hat es mich auch erwischt.
10:40 Uhr: Ich befinde mich mitten auf dem legendären „Hohlweg“ – ein steiler, wurzeliger Trail, den man nur im Gänsemarsch absolvieren kann. In meinem Läuferfeld allerdings kein Problem, da alle flott drauf sind. Manch einer zu flott, Stolper- und Sturzgefahr hoch drei. Ich gehe die Sache lieber vorsichtig an, trailiger Downhill war noch nie meine Stärke. Da verliere ich lieber ein bisschen Zeit, aber komme wohlbehalten unten an. Dort ist dann auch der Halbmarathon (1:44:57 Std.) geschafft und es gibt einen Schluck Wasser. Jetzt heißt es wieder ein bisschen Fahrt aufnehmen, denn das war einer meiner langsamsten Kilometer – bergab, tzzz!
11:25 Uhr: Immer wieder schleicht sich das zufrieden-dämliche Grinsen auf mein Gesicht. Es läuft einfach rund, das Wetter stimmt und bin mir langsam ziemlich sicher, meine Zielzeit von 3:45 Std. problemlos unterbieten zu können. Vor lauter Enthusiasmus gerate ich in Plauderstimmung. Ich schließe am Neustädter Berg zu zwei Jungs auf. Einer hat eine Bayernfahne umgebunden – yeah, Münchner! Sie sticheln im Spaß, dass ich wohl nicht alles gebe, wenn ich am Berg noch so fröhlich plaudern kann. Mag sein, aber dafür hab ich noch Körner für die nächsten 14 km und bin gut drauf 🙂 Die beiden aber auch: Bei der Verpflegungsstation oben am Berg ist ziemlich ruhig, als wir ankommen. Der Bayer ruft: „Eyyy, ist hier die Stimmung aus, oder was?“ Wir reißen die Arme hoch, winken, und passieren unter lautstarkem Jubel die Verpflegungsstation. Das spornt mich so an, dass ich meine beiden neuen Freunde leider kurz darauf hinter mir lasse. Was ’ne Gaudi.
11:50 Uhr: Ich komme an einer Trommelgruppe vorbei, die echt gute Stimmung verbreitet. Mit meinem aktuellen Laufnachbar springe ich kurz zu den Beats herum. „Unter 3:30 schaffe ich es eh nicht mehr, da kann ich mir hier auch Zeit lassen.“, seufzt er. Sein Leid ist meine Freud: Knapp über 3:30 ist für mich machbar! Yeah! Doch erstmal geht’s zum Dreiherrenstein nochmal schööön langgezogen bergauf. Nicht wenige gehen. Ich finds auch anstrengend, aber die Aussicht, dass es danach „tendenziell fast nur noch bergab“ geht (so hab ich es in meinem Kopf zu Motivationszwecken abgespeichert), treibt mich an. Und die liebevoll aufgestellten Schilder am Wegrand: „Nur noch 50 Meter bis zum Gipfel!“, „Nur noch 40 Meter bis zum Gipfel!“, … „Geschafft!“
12:30 Uhr: Das Ziel ist zum Greifen nahe. Die letzten Kilometer gingen tatsächlich „tendenziell bergab“, allerdings gespickt mit ein paar kleinen, feinen Anstiegen und geprägt von der nun doch nachlassenden Kraft. Obwohl ich das Gefühl hatte, die ebenen und die Bergab-Passagen nochmal richtig Gas zu geben, verrät der Blick auf die Uhr, dass ich es, wenn überhaupt, gerade so schaffe, mein vorheriges Tempo zu halten. Dann kommt der Zielort Schmiedefeld in Seh- und Hörweite – und damit keimt Bammel vor dem abschließenden Anstieg in mir auf. „Der ist so steil, da gehen alle nur noch!“, klingt mir in den Ohren. Als ich um die Kurve biege, um mir das Ding persönlich anzuschauen, dröhnt es aus den Lautsprechern: „Und hier kommt Svenja aus München! Super, gleich hast du es geschafft!“ Und so ist es dann auch. Der Anstieg ist nun wirklich nicht so schlimm.
Vor allem ist er gesäumt von jubelndem Publikum, und man hört bereits die Lautsprecheransagen vom Ziel. Oben angekommen sehe ich ein vermeintliches Zieltor und sprinte los. Ha, reingefallen, das tatsächliche Zieltor kommt erst 400 m später! Aber das geht jetzt auch noch.
12:33 Uhr: Kurz darauf laufe ich – selbstverständlich wieder mit einem zufrieden-dämlichen Grinsen – ins Ziel. 3:33:15 Stunden, 11. Frau in der Gesamtwertung, 5. in meiner AK. Und das alles ohne Mann mit Hammer, Krämpfe, Gehpausen oder sonstigen Schmarrn, vor dem man als Marathon-Neuling gewarnt wird. Das harte Training hat sich gelohnt, der Rennsteigmarathon war ein voller Genuss und erfolgreich zugleich. Da darf man auch mal zufrieden-dämlich grinsen 😉
Danke an meine Eltern und meinen Freund für die tolle Unterstützung (und das geduldige Verständnis) im Vorfeld des Rennsteigmarathons und für den super Empfang im Ziel!
Und Danke an Christian von den Laufschrittmachern für die perfekte Auswahl und die ausdauernde Begleitung auf den langen Trainingsläufen!
Ohne euch wären die Trainingszeit und der Rennsteigmarathon lange nicht so top gelaufen! 🙂
„Durch Buchen, Fichten, Tannen so schreit ich in den Tag,
begegne vielen Freunden, sie sind von meinem Schlag.
Ich jodle lustig in das Tal, das Echo bringt’s zurück.
Den Rennsteig gibt’s ja nur einmal und nur ein Wanderglück…“
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