Seit 11 Jahren zieht der Karwendelmarsch tausende Wanderer und Läufer in seinen Bann. Er führt auf 52 km mit 2280 hm quer durch die beeindruckende Kulisse des Karwendelgebirges von Scharnitz nach Pertisau. Ich habe in diesem Jahr spontan die ersten 35 km des Karwendelmarsches erkundet – und sie absolut genossen!
Spontanaktion: Karwendelmarsch
Samstagmorgen, 4:15 Uhr: Aufstehen! Erstaunlich wach, fröhlich und motiviert sitzen drei weitere DAV Flinkfüßerinnen und ich kurz darauf am Frühstückstisch und stärken uns mit Brötchen, Honig und Espresso für den legendären Lauf durchs Karwendelgebirge.
Erst wenige Tage zuvor hatte ich in einer Facebook-Gruppe einen Startplatz für den längst ausverkauften Karwendelmarsch entdeckt. Dank meiner lieben Bekannten war die Unterkunfts- und Transferfrage schnell geklärt und auch die Veranstalter hatte nichts einzuwenden gegen eine Teilnahme unter fremden Namen mit nachträglicher Ummeldung. Somit war Start und Ziel für mein nächstes Bergtraining gesetzt – Streckenführung, gute Stimmung und Verpflegung inklusive!
So versammeln wir uns am frühen Morgen mit rund 2500 bergbegeisterten Wanderern und Läufern in Scharnitz und treffen auf weitere bekannte Gesichter. Um 6 Uhr fällt der Startschuss – let’s go!
Morgenstund‘ hat Gold im Mund
Bereits kurz nach dem Start geht es zunächst auf Asphalt, dann auf einer Forststraße bergauf. Das Läuferfeld ist kompakt, aber nicht gedrängt, jeder sucht in der morgendlichen Stille seinen Rhythmus. Rosa Morgenlicht schimmert in der Ferne über den Bergen, denen wir auf den nächsten 15 km durchs Karwendeltal entgegen laufen.
Ich laufe ruhig, bremse mich ein, da die herausfordernden Streckenabschnitte ja erst noch kommen und es für mich heute kein Wettkampf, sondern ein Genuss- und Trainingslauf werden soll. Den Fokus darauf zu setzen fällt nicht schwer, in Anbetracht des wunderschönen, morgendlichen Naturschauspiels aus Nebel und Sonne.
Nach flachen bis mäßig ansteigenden 9,5 km kommt die erste Verpflegungsstelle am Schafstallboden. Da die ersten 50 Minuten durch den kühlen Morgen sehr entspannt waren, laufe ich weiter und nehme es lediglich zum Anlass, ein paar Schlucke von meinem eigenen Wasser zu trinken. Denn was davon wegkommt, muss ich nicht den Berg hochtragen!
In Serpentinen zum Karwendelhaus
Der erste größere Anstieg des Karwendelmarsches rückt näher. Ich erhasche einen Blick auf das Karwendelhaus, das majestätisch über uns am Felsen thront. Noch liegt es im Schatten, doch es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis auch die versteckten Winkel des Karwendelgebirges in Sonne getaucht werden.
Von Kilometer 15 bis 18 schlängelt sich nun die Forststraße in Serpentinen knapp 400 Höhenmeter zum Karwendelhaus hinauf. Bis auf wenige steile Kurven und Wegabschnitte laufe ich den Anstieg – zwar langsam, aber beständig und mit ruhigem Puls. Das letzte Stück führt zwischen Almwiesen mit grasenden Kühen hindurch, mit einem fantastischen Blick auf das Karwendelhaus und die umliegende Berglandschaft.
Nach einer guten halben Stunde wartet die Belohnung für die vielen Höhenmeter, die nun schon geschafft sind: eine umfangreiche Labestation unterhalb des Karwendelhauses. Es gibt Obst, Riegel, belegte Brote und Suppe, dazu Tee, Wasser und Holundersaft. Letzteren entdecke ich für mich – ein absoluter Genuss in diesem Moment! Ich verweile ein wenig und plaudere mit den freundlichen Helfern, bevor ich mir noch einen halben Dattelriegel mit auf den Weg nehme und weiterlaufe.
Bergabpassage zum Krafttanken
Nun geht es auf einem steinigen, breiten Weg mehrere Kilometer bergab zum Kleinen Ahornboden. Auf diesem Abschnitt sind einige Mountainbiker unterwegs, die vom Läuferpulk ordentlich ausgebremst werden, aber mit viel Rücksicht und Geduld reagieren.
Am Kleinen Ahornboden wartet bereits die nächste Verpflegungsstation auf uns. Ich stärke mich wieder mit einem erfrischenden Becher Holundersaft und kann kaum glauben, dass es noch nicht mal 08:30 Uhr ist und schon über 24 km und 800 hm hinter uns liegen!
Nach dem sanften Abstieg vom Karwendelhaus hinunter zum Kleinen Ahornboden fühlen sich meine Beine vollkommen erholt an und ich nehme fröhlich und motiviert den nächsten Streckenabschnitt in Angriff.
Knackiger Anstieg zur Falkenhütte
Die Strecke führt zunächst noch relativ flach über einfache Trails und ein Geröllfeld – immer mit wunderschönem Blick auf die umliegende Bergwelt.
Anschließend beginnt der zweite längere Anstieg des Karwendelmarsches. Ein steiniger Pfad schlängelt sich in Serpentinen mit überwiegend laufbarer Steigung aufwärts und mündet schließlich in einen breiten Forstweg.
Der Forstweg wird steiler und steiler – auf Kilometer 28 sind ganze 160 hm zu überwinden! Hier läuft keiner mehr und um mich herum klackern die Stöcke über den Boden. Meine haben einen bequemen Platz im Rucksack und ich bin viel zu sehr in meinen Rhythmus vertieft, als dass ich anhalten, sie rausholen und zusammenstecken wollte. Es geht auch ohne!
Der finale Anstieg zur Falkenhütte verläuft über einen Wiesenpfad und Stufen nach oben. Durch das traumhafte Wetter, die Aussicht und die entspannte Stimmung der Teilnehmer rückt die Anstrengung des Aufstiegs völlig in den Hintergund und ich genieße jeden Augenblick.
Beschwingt in den Endspurt
Schließlich sind auch die rund 450 Höhenmeter hinauf zur Falkenhütte geschafft. Die Helfer an der Verpflegungsstelle sind super gelaunt – erst Recht, als sie den Namen (des ursprünglichen Teilnehmers) auf meiner Startnummer entdecken und mir mitteilen, dass auch einer von ihnen Siegfried heißt. Als sich dann plötzlich ein Arm um meine Schulter legt und sich ein dritter Siegfried zu uns gesellt, ist definitiv die Zeit für Gelächter und ein Foto gekommen!
Nach der Gaudi an der Verpflegungsstation geht es nun erstmal bergab. Diesmal etwas technischer als zuvor. Die Downhill-Fans fliegen fröhlich an mir vorbei, während ich mich auf jeden Schritt konzentrieren muss. Auch wenn ich eher langsam und unelegant vorankomme, macht dieser Downhill selbst mir Spaß!
Kurz darauf: Szenenwechsel. Auf einem welligen Trail geht es über kleinere und größere Steine und Felsen im Schatten der Berge voran. Der Streckenabschnitt strahlt eine ganz besondere Ruhe aus. Die Ruhe vor dem Sturm? Denn kaum tauchen wir aus dem Schatten auf, folgt ein letzter knackiger Anstieg von rund 100 Höhenmetern auf einem Kilometer.
Auf dem Downhill ins Ziel
Als auch der letzte Anstieg geschafft ist, geht es „nur“ noch bergab. Es liegen noch drei Kilometer vor mir und gedanklich bin ich schon fast im Ziel – als ich einmal mehr daran erinnert werde, dass ich unbedingt an meinen Downhill-Skills arbeiten muss!
Auf den drei Kilometern geht es mehr als 500 Höhenmeter über felsige und steinige Trails hinab. Für mich persönlich ist dieser Streckenabschnitt mit Abstand der anspruchvollste Teil des ganzen Laufes. Während ich über 20 Minuten dafür brauche, werde ich von etlichen Läufern überholt bzw. lasse sie passieren, um keinen Stau zu verursachen. Es ist mir ein Rätsel, wie die anderen so sicher und schnell hier runter kommen!
Auch wenn mich meine Unsicherheit und Langsamkeit fuchst, bleibe ich dabei – denn jetzt ist nicht der richtige Moment für Experimente. Ich akzeptiere es und nehme mir vor, in Zukunft daran zu arbeiten.
Schritt für Schritt nähere ich mich trotz allem dem 35-km-Ziel in der Eng. Die letzten 500 Meter sind auch für mich wieder laufbar und ich gebe nochmal Vollgas, um den Abstieg mental und körperlich hinter mir zu lassen und voller Energie und Freude ins Ziel einzulaufen.
Karwendelmarsch 2019 – es war mir ein Fest!
Zugegeben: Ich wäre am liebsten noch weitergelaufen! Hätte ich vorher gewusst, wie gut meine Beine an diesem Tag mitmachen, hätte ich mich definitiv auf das vollständige Abenteuer „Karwendelmarsch“ eingelassen. Doch andererseits soll man ja aufhören, wenn’s am schönsten ist – und im Ziel hätte definitiv nichts besser sein können!
Ich hatte einen wunderbaren Trainingslauf ganz ohne Zipperlein, durfte das Karwendelgebirge bei bestem Wetter von seiner schönsten Seite kennenlernen und hatte vor, während und nach dem Lauf eine tolle Zeit mit netten Menschen.
Fazit: Der Karwendelmarsch ist für alle Läufer und Wanderer absolut empfehlenswert, die sich nicht nur auf Trails, sondern auch auf Forststraßen wohlfühlen, sich an beeindruckenden Aussichten erfreuen , ohne selbst die höchsten Gipfel erklimmen zu müssen, und die einen Sinn für ein fröhliches Miteinander und gute Verpflegung auf der Strecke haben.
Ich komme gerne wieder – beim nächsten Mal für die 52 km!
Der nächste Karwendelmarsch findet am 29.08.2020 statt. Die Anmeldung öffnet im Dezember – und wer ganz sicher dabei sein möchte, sollte schnell zuschlagen, da die Startplätze innerhalb kürzester Zeit ausverkauft sind!